JULI/AUGUST 2019

Offene Stoßfugen im Mauerwerk sind technische Fehler!

Das Bauen hat sich verändert. Wurden beim Mauern früher Steine vermörtelt, werden sie heute nur noch in der Lagerfuge verklebt. Und das nicht unbedingt fachkundig, wie es immer wieder bei Baustellenkontrollen festzustellen ist. Fachliche Fehler beim Mauerwerk sind auf rund 70 Prozent aller Ein- und Mehrfamilienhausbaustellen zu finden. Die vertikalen Stoßfugen zwischen den Steinen im Mauerwerk klaffen über ein zulässiges Maß hinaus auseinander. Oft kann man direkt zwischen den Steinen hindurchsehen. Das Problem ist auf mangelnde Fachkenntnisse zurückzuführen. Viele auf dem Bau Beschäftigte haben das Maurerhandwerk nicht mehr richtig erlernt und wissen deshalb auch nicht, wie wichtig Stoßfugen, heute in der Regel als unvermörtelte Nut- und Federsysteme am Stein, für die Qualitätseigenschaften der Wand sind. Entsprechend sorglos gehen sie mit den klaffenden Lücken um – die werden später einfach überputzt.

Das darf aber nicht passieren! Breitere, offene Fugen sind ein technischer Fehler, der behoben werden muss. Geregelt wird die Bemessung und Ausführung von unbewehrtem Mauerwerk in der DIN EN 1996/NA. Steine mit Nut- und Federsystem ohne Stoßfugenvermörtelung sind knirsch zu verlegen beziehungsweise ineinander verzahnt zu versetzen. Sie gelten dann als knirsch verlegt, wenn sie ohne Mörtel so dicht aneinander verlegt werden, wie dies wegen der herstellungsbedingten Unebenheiten der Stoßfugenflächen möglich ist. Demnach sind allenfalls einzelne nicht geschlossene Fugen in einer Wand tolerabel. Häufungen aber nicht. Knirsches Aneinandersetzen von Steinen muß heute von einem sorgfältig arbeitenden Handwerker verlangt werden. Stoßfugen, die breiter als fünf Millimeter sind, müssen vor dem Verputzen geschlossen werden. Werden diese Stoßfugen zwischen den Steinen dann nicht fachgerecht vermörtelt, kann das z.B. den Schallschutz zwischen den Räumen auf Dauer beeinträchtigen. Zwischen der Küche und dem Flur im Einfamilienhaus ist das vielleicht noch zu tolerieren, aber bei einer Wohnungstrennwand zwischen fremden Mietparteien führt es zu Dauerstreit.  Außerdem kann die Standsicherheit des Hauses beeinträchtigt werden, gerade wenn andere, häufig parallel auftretende Fehler hinzukommen wie zu geringe Überbindemaße der Steine oder zu geringer Mörtelauftrag. Schubkräfte können dann nicht mehr ausreichend aufgenommen werden. Das kann sich später unter anderem durch treppenförmige Risse im Putz abzeichnen.

Tatsächlich ist das Problem den meisten Bauherren und auch der Mehrzahl der Firmen gar nicht bewusst. Das Zuputzen der breiteren, offenen Stoßfugen ist deshalb gang und gäbe, wenn niemand die Baustelle kontrolliert. „Das reicht aber bei Wänden mit erhöhten Schallschutzanforderungen keinesfalls aus, denn der Putzmörtel dringt dabei in der Regel nur bis zum ersten Nut-und-Feder-Versatz des Steins in die offene Stoßfuge ein. Folglich bestehen bei einer normalen, 17,5 Zentimeter starken Wand aus Kalksandstein circa zwei Drittel des Wandquerschnitts in diesem Fugen-Bereich aus Luft und nicht aus massivem Stein und Mörtel. Bei Häufungen sind Schalleinbußen programmiert.

Vor allem bei sogenannten Stumpfstoßanschlüssen, also dem Anschluss aussteifender Innenwände an die durchgehenden Außenwände, muss die Stoßfuge zwischen Längswand und stumpf gestoßener Querwand voll vermörtelt werden. Das ist aus statischen und schalltechnischen Gründen wichtig. Statisch erforderliche Fugenvermörtelungen gibt es außerdem an vielen anderen Bauteilausbildungen, unter anderem über Flachstürzen und im Bereich der Kelleraußenwände, abhängig vom Lastabtrag. Schallschutz spielt zwar im Einfamilienhausbereich nicht so eine große Rolle wie im Geschosswohnungsbau, aber mangelnder Schallschutz macht den Bewohnern dennoch den Alltag schwer. Lärm zehrt an den Nerven. Außerdem lassen sich bei schlecht schallgedämmten Häusern kaum noch nachträglich Einliegerwohnungen abtrennen, etwa zum Vermieten, wenn die Kinder aus dem Haus sind, oder für eine Pflegekraft später im Leben. „Solche Immobilien sind einfach zu hellhörig.

Was ist also zu tun, wenn während der Bauzeit erhebliche Lücken an den Stoßfugen im Mauerwerk klaffen? Solche Fehler müssen fachgerecht nachgebessert werden. Im Extremfall bedeutet das Rückbau und Neubau der Mauerwerkswand. Alles andere ist häufig Flickschusterei!

Weitere Informationen beim Verband Privater Bauherren (VPB) e.V., Bundesbüro, Chausseestraße 8, 10115 Berlin, Telefon 030 2789010, Fax: 030 27890111, E-Mail, Internet oder hier!